Als im August 1936 230 Vertreter jüdischer Gemeinschaften aus 32 Ländern in Genf (Schweiz) zusammentraten, um den Jüdischen Weltkongress zu gründen, waren sie mit einer sehr realen Gefahr konfrontiert: Unter der Nazi-Herrschaft wurden Juden in Deutschland verfolgt und ihrer Rechte beraubt. Auch im Rest Europas machte eine wachsende Welle von Antisemitismus den Juden zu schaffen.
Die Hauptziele der neuen Organisation waren es, das jüdische Volk und die demokratischen Kräfte gegen die Nazis zu mobilisieren, für eine politische und wirtschaftliche Gleichstellung in aller Welt zu kämpfen, die Gründung einer jüdischen Heimstatt in Palästina zu fördern sowie eine repräsentative jüdische Organisation mit weltweiter Resonanz zu schaffen, welche auf dem Konzept der Einheit des jüdischen Volks beruhen, demokratisch organisiert und in der Lage sein sollte, in gemeinsamen Belangen zu handeln.
Es war der Jüdische Weltkongress, der 1942 die freie Welt auf den Holocaust aufmerksam machte und amerikanische und britische Politiker mittels eines von WJC-Generalsekretär Gerhart Riegner abgeschickten Telegramms zum schnellen Handeln drängte. Der WJC richtete ein Hilfswerk für jüdische Kriegsflüchtlinge ein und arbeitete mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zusammen, um Juden in deutschbesetzten Ländern zu schützen.
Während des Kriegs trat der WJC aktiv bei den Regierungen der Alliierten dafür ein, jüdischen Flüchtlingen aus Europa Visa zu gewähren und die Wiedereinführung der Rechte jüdischer Minderheiten in Gebieten zu gewährleisten, welche von den Alliierten befreit worden waren. Im April 1945 gelang dem WJC als Ergebnis direkter Verhandlungen mit einem hochrangigen Nazi-Funktionär die Befreiung von 4.500 Häftlingen aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich der WJC um den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden in Europa, stand vertriebenen Juden und Shoah-Überlebenden bei, drängte auf die Entschädigung der Opfer durch Deutschland und setzte sich für die Bestrafung von Nazi-Funktionären ein, die Verbrechen gegen die Menschheit begangen hatten.
1951 gründete WJC-Präsident Nahum Goldmann die mit der Verteidigung von Reparationsansprüchen gegenüber Deutschland betraute Conference of Material Claims Against Germany. Ein Jahr später wurde das Luxemburger Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet, aufgrund dessen in den vergangenen sechs Jahrzehnten fast 300.000 jüdische Holocaust-Überlebende insgesamt 60 Milliarden Dollar an Schadensersatz und Pensionszahlungen von Deutschland erhalten.
Der Jüdische Weltkongress trat zudem bei den Vereinten Nationen und bei einzelnen Regierungen erfolgreich für die Gründung des Staats Israel ein. Nach 1948 richtete der WJC seine Aufmerksamkeit verstärkt auf die Not jüdischer Flüchtlinge in arabischen Ländern und machte weltweit auf die schwere Lage von Juden in der Sowjetunion aufmerksam, welchen im Zuge der Perestroika schließlich genehmigt wurde, nach Wunsch nach Israel auszureisen oder in ihren Heimatgemeinden zu bleiben und dort ihre Religion frei auszuüben.
Unter dem Vorsitz von Edgar M. Bronfman, der von 1979 bis 2007 als Präsident des WJC amtierte, legte die Organisation die Nazivergangenheit des österreichischen Bundespräsidenten und ehemaligen UN-Generalsekretärs Kurt Waldheim offen. In den neunziger Jahren engagierte sich der Kongress erfolgreich für die Herausgabe von Vermögen von Holocaust-Opfern auf sog. ‚ruhenden‘ Bankkonten in der Schweiz und in anderen Ländern und sorgte dafür, dass diese Einlagen ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben oder angemessene Entschädigung geleistet wurden. In 17 Ländern wurden Kommissionen eingesetzt, die den Verbleib von Vermögen aus der Zeit des Holocaust einschließlich Raubkunst untersuchten. Die dabei ausfindig gemachten Mittel wurden dazu verwendet, zahlreiche Projekte weltweit zu unterstützen.
Der WJC hat sich auch für die Entschädigung von jüdischen und nichtjüdischen NS-Zwangsarbeitern eingesetzt, deren Qualen jahrzehntelang ignoriert worden waren, bis 2001 von Deutschland schließlich ein mit 5 Milliarden Euro dotierter Fonds eingerichtet wurde.
Der Jüdische Weltkongress nimmt zudem seit jeher eine federführende Rolle bei der Förderung eines besseren Verständnisses mit anderen Religionen ein, insbesondere mit der katholischen Kirche. So war er maßgeblich an der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl im Jahr 1993 beteiligt.
Heute ist der WJC mit Mitgliedsgemeinden und -organisationen in hundert Ländern weltweit die einzige wirklich global agierende Interessensvertretung der Juden.